Dankbar ernten,
was niemand gesät hat -
Walderdbeeren.
(Monika Hermann)
Nun hat der Mohn
lang genug im Kornfeld geblüht.
Die Ähren knistern.
(in memoriam Peter Frank)
Alle drei beschwipst.
Tusche und Pinsel und ich
beim Neujahrsschreiben
(Monika Hermann)
Kleine Glaskutsche
am Christbaum - wieder der Wunsch
auf Reisen zu geh'n.
(in memoriam: Peter Frank)
Mit Äpfeln gefüllt
der Weidenkorb - eine Hand
greift durch den Zaun.
(Regina Seelig)
In Zeitlupe schwebt
es golden von den Bäumen -
ich bestell ein Bier.
(Peter Frank)
Eisdiele "Mario",
alle Tische voll besetzt,
das Sommerzeichen.
(Christine Matha)
Zwischen den Grannen
der Gerste die kleine Welt
im Regentropfen.
(Regina Seelig)
Beim Vesperläuten
unter Kastanienkerzen -
dunkles Klosterbier.
(Monika Hermann)
Angst begleitet
die Wärme des Frühlings -
zwanzig-zwanzig.
(Rainer Mehringer)
Biene im Anflug
auf weiße Blüte am Strauch -
ich bin da, allein.
(Loretta Gaukel)
Auf den Gartentisch
im Blütenstaub geschrieben:
Michi liebt Lisa.
(Peter Frank)
Blätter und Blüten,
geschützt im Bauch der Knospe -
die Geburt beginnt.
(Dorit Kreissl)
Brennesselsuppe
dekoriert mit Kirschblüten -
ein Festtagsessen.
(Monika Hermann)
Was ist ein Haiku?
Das Haiku - als kürzestes Gedicht der Welt aus Japan zu uns gekommen - verlangt nach einer Form. In Japan besteht es aus 17 Moren, bei uns Silben genannt. Diese entsprechen, wollte man sie zählen, nicht ganz unseren 17 Silben: Es sind eher 14 Laute oder präziser 10 bis 14 Lauteinheiten verschiedener Länge. Jedenfalls so etwas wie eine Aussage in einem Atemzug. In Deutschland hat das Haiku die Form eines Dreizeilers erhalten.
Das Haiku verzichtet auf den Reim, auf den Ausdruck persönlicher Gefühle und auf die Mitteilung von Meinungen oder Schlussfolgerungen. Es wirkt einfach und klar. Auch sollte man im Haiku die Jahreszeit erkennen. Man spricht vom Kigo oder Kidai, das Jahreszeitenwort. Ein Haiku ist kein Bericht und findet immer in der 'Gegenwart' statt.
Die Form des Haiku sind 3 Zeilen und 17 Silben: 5 - 7 - 5.
1. Zeile: 5 Silben; 2. Zeile: 7 Silben; 3. Zeile: 5 Silben.
(Daneben gibt es auf die deutsche Sprache übertragen auch das Format 4 - 6 - 4.
1. Zeile: 4 Silben; 2. Zeile: 6 Silben; 3. Zeile: 4 Silben.)
Wie entsteht ein Haiku:
Alle Sinne sind offen für neue Eindrücke. Ein Haiku-Moment will festgehalten werden, ein Haiku beginnt sich zu formen. Das gelingt nicht immer in den wenigen Worten der Form; verdichten, beschreiben und zu einer bewußten Erinnerung werden lassen, machen den Eindruck zum Haiku. Liest man sich sein eigenes Haiku immer wieder vor, so läuft innerlich ein kleiner Film ab.
(Mit freundlicher Genehmigung von Monika Hermann; Mitglied im Haikukreis der Deutsch-Japanischen Gesellschaft; die Urheberrechte aller hier vorgestellten Haiku liegen bei den Autoren.)