DER GUBE20 HAIKU-BLOG


Dankbar ernten,

was niemand gesät hat - 

Walderdbeeren.

(Monika Hermann)

 


Nun hat der Mohn

lang genug im Kornfeld geblüht. 

Die Ähren knistern.

(in memoriam Peter Frank)

 


Alle drei beschwipst.

Tusche und Pinsel und ich 

beim Neujahrsschreiben

(Monika Hermann)

 


Kleine Glaskutsche

am Christbaum - wieder der Wunsch 

auf Reisen zu geh'n.

(in memoriam: Peter Frank)

 

Nachruf: Peter Frank hat seit 16 Jahren mit uns im Haikukreis der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bayern e.V. Haiku gedichtet. Jeder, der ihn kannte, weiß, dass diese Haiku immer seine selbst erlebten „Haikumomente“ wiedergaben, die wir mit ihm erleben durften. 
Die kleine Glaskutsche, die er aus seiner Kindheit aufbewahrt hatte, fand jedes Jahr zurück in das Grün der Tannennadeln. Sie hat ihn daran erinnert, dass unser Leben eine Reise ist, die uns zuletzt an unser aller Ziel bringt.
Leb wohl, lieber Peter, Deine Haiku bleiben bei uns und die Erinnerung an einen ganz besonderen Menschen. Monika Hermann

Mit Äpfeln gefüllt

der Weidenkorb - eine Hand 

greift durch den Zaun.

(Regina Seelig)

 


In Zeitlupe schwebt

es golden von den Bäumen - 

ich bestell ein Bier.

(Peter Frank)

 


Eisdiele "Mario",

alle Tische voll besetzt, 

das Sommerzeichen.

(Christine Matha)

 


Zwischen den Grannen

der Gerste die kleine Welt 

im Regentropfen.

(Regina Seelig)

 


Beim Vesperläuten

unter Kastanienkerzen - 

dunkles Klosterbier.

(Monika Hermann)

 


Angst begleitet

die Wärme des Frühlings - 

zwanzig-zwanzig.

(Rainer Mehringer)

 


Biene im Anflug

auf weiße Blüte am Strauch - 

ich bin da, allein.

(Loretta Gaukel)

 


Auf den Gartentisch

im Blütenstaub geschrieben:

Michi liebt Lisa.

(Peter Frank)

 


Blätter und Blüten,

geschützt im Bauch der Knospe -

die Geburt beginnt.

(Dorit Kreissl)

 


Brennesselsuppe

dekoriert mit Kirschblüten -

ein Festtagsessen.

(Monika Hermann)

 


Was ist ein Haiku?

Das Haiku - als kürzestes Gedicht der Welt aus Japan zu uns gekommen - verlangt nach einer Form. In Japan besteht es aus 17 Moren, bei uns Silben genannt. Diese entsprechen, wollte man sie zählen, nicht ganz unseren 17 Silben: Es sind eher 14 Laute oder präziser 10 bis 14 Lauteinheiten verschiedener Länge. Jedenfalls so etwas wie eine Aussage in einem Atemzug. In Deutschland hat das Haiku die Form eines Dreizeilers erhalten.

 

Das Haiku verzichtet auf den Reim, auf den Ausdruck persönlicher Gefühle und auf die Mitteilung von Meinungen oder Schlussfolgerungen. Es wirkt einfach und klar. Auch sollte man im Haiku die Jahreszeit erkennen. Man spricht vom Kigo oder Kidai, das Jahreszeitenwort. Ein Haiku ist kein Bericht und findet immer in der 'Gegenwart' statt.

 

Die Form des Haiku sind 3 Zeilen und 17 Silben: 5 - 7 - 5.

1. Zeile: 5 Silben; 2. Zeile: 7 Silben; 3. Zeile: 5 Silben.

(Daneben gibt es auf die deutsche Sprache übertragen auch das Format 4 - 6 - 4.

1. Zeile: 4 Silben; 2. Zeile: 6 Silben; 3. Zeile: 4 Silben.)

 

Wie entsteht ein Haiku:

Alle Sinne sind offen für neue Eindrücke. Ein Haiku-Moment will festgehalten werden, ein Haiku beginnt sich zu formen. Das gelingt nicht immer in den wenigen Worten der Form; verdichten, beschreiben und zu einer bewußten Erinnerung werden lassen, machen den Eindruck zum Haiku. Liest man sich sein eigenes Haiku immer wieder vor, so läuft innerlich ein kleiner Film ab.

 

(Mit freundlicher Genehmigung von Monika Hermann; Mitglied im Haikukreis der Deutsch-Japanischen Gesellschaft; die Urheberrechte aller hier vorgestellten Haiku liegen bei den Autoren.)